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„Das ist für mich so Pendelfreizeit“ – Interviewstudie im Forschungsprojekt PendelLabor erschienen

Der Pendelverkehr in Deutschland steigt und die Pendelwege werden länger. Für viele Betroffene wirkt sich das negativ auf ihren Alltag aus. Wie lässt sich der Weg zur Arbeit oder zur Ausbildungsstätte verträglicher gestalten? Das Forschungsteam von „PendelLabor“ unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hat ein Realexperiment durchgeführt, um diese Frage zu beantworten. Die begleitete sozialwissenschaftliche Befragung der Pendlerinnen und Pendler ist nun ausgewertet. Die Interviewstudie „Das ist für mich so Pendelfreizeit“ wurde in der Reihe „ISOE-Materialien Soziale Ökologie“ veröffentlicht.

Beispiel Region Frankfurt Rhein-Main: Allein hier pendeln täglich mehr als eine halbe Million Menschen, überwiegend mit dem Auto. Das hat Folgen für die Umwelt und Konsequenzen für die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen – derer, die pendeln ebenso wie der Bewohner*innen in den Einpendler-Städten. Im BMBF-Forschungsprojekt „PendelLabor“ unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung suchen Wissenschaftler*innen gemeinsam mit Praxisakteuren nach tragfähigen Alternativen zu gängigen Pendelroutinen.

Um Aspekte einer sozialen und ökologischen Unverträglichkeit des Pendelns besser zu verstehen und Potenziale zur Veränderung hin zu einem nachhaltigeren Pendeln zu identifizieren, wurden im Sommer 2021 qualitative, leitfadengestützte Interviews mit Pendelnden in der Region Frankfurt RheinMain geführt. Die Ergebnisse liegen jetzt als Studie vor: „Das ist für mich so Pendelfreizeit“ bietet vor allem Wissenschaftler*innen wichtige Einblicke, die Pendeln aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive erforschen. Für die Praxis finden sich zudem zentrale Schlussfolgerungen für die nachhaltige Gestaltung von Pendelmobilität.

Pendeln ist nicht gleich Pendeln

Als eine wichtige Grundlage der Erhebung bewertet PendelLabor-Projektleiter Luca Nitschke die ganzheitliche Sicht auf das Pendeln als soziale Praktik, die als routiniertes Verhalten immer auch mit anderen Alltagsroutinen verbunden ist. „Mit dem Verständnis einer sozialen Praktik ist Pendeln nicht nur eine Bewegung von A nach B, sondern vielmehr eine Schnittstelle zwischen Privatsphäre und Arbeitssphäre, die vielfältig miteinander verwoben sind“, sagt Nitschke. Pendeln sei folglich nicht gleich Pendeln, sondern könne sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. „Wir konnten in unserer Interviewstudie zum Beispiel herausfinden, dass Pendeln nicht nur als reine Belastung wahrgenommen wird, sondern im Zurücklegen des Arbeitsweges auch eine Reihe von Vorteilen gesehen wird. Entscheidend dafür sind vielfältige Umstände und die Fähigkeit, Pendelzeit für sich als freie Zeit zu nutzen. Das hat einen großen Einfluss darauf, wie Pendeln wahrgenommen und bewertet wird“, sagt Nitschke.

Im Kern konnten im Zuge der Studie vier sogenannte „Pendelsegmente“ identifiziert werden. Die Typisierungen „Alltagsjonglieren“, „Am Limit“, „Nutzen ziehen“ und „Hinnehmen“ unterscheiden sich durch Elemente wie zum Beispiel Bedeutungen, die dem Pendeln zugeschrieben werden, oder durch Kompetenzen. Die Pendelsegmente werden in der Studie ausführlich beschrieben und bieten erste Erkenntnisse darüber, welche Faktoren die Stabilität von Pendelpraktiken bedingen, welche Pendelpraktiken nicht nachhaltig sind und welche Möglichkeiten und Potenziale zur Veränderung dieser Praktiken bestehen.

Den vollständigen Bericht können Sie hier herunterladen:

„Das ist für mich so Pendelfreizeit“. Ergebnisse einer qualitativ-sozialwissenschaftlichen Befragung zu Pendelpraktiken. Stein, Melina/Luca Nitschke/Laura Trost/Jutta Deffner (2023). ISOE-Materialien Soziale Ökologie, 69. Frankfurt am Main